Digital Living

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Mein Haus und ich – sind wir noch unzertrennlich oder kann mein Haus auch ohne mich leben? Die Abhängigkeit wird wegdigitalisiert und somit wird mein Haus zum eigenständigen Akteur in unserer Straße. Ich sage nur noch wann, wo und wieviel von was! Ganz schön smart, oder?
Mein routinierter Alltag wird komplett durchprogrammiert und durch den autonom agierenden Haushalt extrem vereinfacht. Durch intelligente Vernetzung und Programmierbarkeit ist es längst kein Problem mehr, beispielsweise dem Wäschetrockner zu sagen, wann am nächsten Morgen die Wäsche fertig getrocknet sein soll. Dieser misst im Laufe des Trocknungsvorganges über Nacht die Feuchtigkeit, bewertet diese und timet dann alles so, dass um Punkt 08:00 Uhr frische Unterwäsche bereit ist für ihren Einsatz. Ebenso muss ich nicht mehr morgens um 06:00 Uhr mit eisigen Füßen am Waschbecken stehen und beim Zähneputzen mit selbigen klappern. Ein smartes Gebäude kann, noch bevor der Wecker klingelt, dafür sorgen, dass das Badezimmer wohlig warm ist, wenn ich es betrete. Damit ich den Weg ins Bad auch finde, habe ich natürlich eine angenehme Frühausteher-Atmosphäre programmiert, die mich sanft aus Morpheus’ Armen entreißt. Jalousien, Musik und Fernseher sind samt Rasensprenger und Tischspringbrunnen natürlich auch Teil der großen Inszenierung mit programmierten Atoms.

Während meines Schlafs überwacht die smarte Matratzenauflage meine Bettruhe. Die erhobenen Werte regeln, wie warm mein Bett ist, wie ruhig ich schlafe und wann der beste Zeitpunkt wäre, mich zu wecken. Dieser Markt ist nicht zu vernachlässigen: Klagen doch 25% aller Deutschen (Quelle: statista.com) über Schlafprobleme und hoffen hier auf Linderung. Also ein Riesenpotential für die Industrie!

Kann mein Haus auch ohne mich leben?

Aber auch in meiner Abwesenheit kommt mein Haus gut klar: Der Saugroboter sorgt fleißig für die Hausreinigung, der Mähroboter bereitet den Garten optisch auf einen Nachmittag im Liegestuhl vor. Der Kühlschank teilt mir auf dem Heimweg per SmartPhone noch mit, ob genug Bier, Softdrinks und Grillgut verfügbar sind und das Smartphone wiederum, welche Einkaufgelegenheiten auf dem Weg liegen und wo ich am günstigsten meine Liste einkaufen kann.

Mein Körper und ich – jetzt gibt es keine Illusionen mehr. Und was ist sonst noch Smart? Fitness-Tracker geben jederzeit Auskunft über Puls, gelaufene Schritte, Herzfrequenz, verbrannte Kalorien und vieles mehr. Ganz gleich, ob im klimatisierten Büro sitze oder bei Temperaturen um den Gefrierpunkt durch den Baggersee schwimme: Ich bin mir stets meiner Biowerte gewahr. Dabei treten diese Gadgets längst nicht mehr als die klobigen Kunststoffgehäuse am Handgelenk auf, sondern gehen als schmuckes Livestyle-Accessoire durch. AppleWatch, Samsung Gear etc. sei Dank sind so genannte „Wearables“ vollständig im Alltag angekommen. Immerhin nutzen bereits fast ein Drittel aller Bundesbürger in der Zielgruppe 14+ entsprechende Geräte dieser Art. (Quelle: bitkom.org)

Zum Einstieg einen Schrittzähler? Hier gibt es die simple Version ab 10€ oder als vergoldete Variante des Hersteller mit dem bekannten Apfel bei ca. 18.000€. Die nächste Stufe der persönlichen Datenverarbeitung sind wohl smarte Textilien wie Fitness-Socke und Fitness-Shirt. So wird kein Brustgurt mehr zur Messung benötigt, sondern biometrische Daten werden direkt aus den in den Textilien untergebrachten Sensoren per APP ans Smartphone gesendet.

Auch das moderne Fahrzeug ist smart und vernetzt. Der private PKW wird, das nötige Kleingeld vorausgesetzt, immer cleverer und autonomer. So kann man längst nicht mehr nur sein Fahrzeug per APP orten, aus der Ferne ent- und verriegeln oder die Standheizung starten. Das moderne Auto ist sich seiner Umgebung bewusst. Es erkennt, ob man von der Fahrbahn abkommt und steuert per Fahrbahnassistent gegen, bremst am Stauende pünktlich vor dem Aufprall ab, ortet andere Fahrzeuge per Satellit und bewertet das Verkehrsaufkommen, liest Nachrichten vor, wertet Verkehrsschilder und -meldungen aus, parkt autonom ein, und und und … Danke, Kit!

Mein Leben in Technik – Häuser entscheiden anhand von Wetterstationen selbst, ob es zu warm oder zu kalt im Inneren ist, der Kühlschrank bestellt direkt selbst fehlende Produkte online nach, die dann in kürzestes Zeit per Drohne vor die Haustür geliefert werden. Beim Aufziehen eines Herbststurms schließen sich die Fenster und die Rollläden fahren runter, auch wenn ich selbst gerade den Herbsturlaub im Süden verbringe. Aber das ist gewiss: Es ist noch gewaltig Luft nach oben, wenn es nach den Ingenieuren und Visionären geht!

Schöne neue Welt?

Fahrzeuge werden nicht nur selbst parken sondern komplett autonom fahren und sich, sobald Bedarf besteht, an Ladestationen neue Energie holen können. Allerspätestens dann wird sich der Alltag eines Jeden durch neue Möglichkeiten im individuellen Nahverkehr vollständig verändern. Für viele tausend Pendler wäre schon Arbeiten vor Erreichen des eigentlichen Arbeitsplatzes möglich. Rein theoretisch müsste man durch die gewonnene Zeit deutlich kürzer am Arbeitsplatz selbst verweilen, was mehr Freizeit und mehr Lebensqualität zur Folge hätte.

Mehr Freizeit, die dank der Dienste elektronischer Helfer, digital zu füllen wäre: Neben Google forscht auch Microsoft an einer eigenen Datenbrille. Augmented Reality Brillen bieten dem Träger die Möglichkeit, zusätzliche Informationen über die Umgebung und Mitmenschen live zu beziehen. So werden nicht nur Wege und Strecken ins Sichtfeld eingeblendet, sondern auch Infos über Bauwerke, Plätze und Landschaften können bezogen werden. Sind andere Passanten im Sichtfeld ebenfalls z. B. über Ihr Smartphone online, könnten Facebookstatus, Wohnort, Alter, letzter Tweet je nach Freigabe zu sehen sein.

Dabei bringen einige digitalen Dienste auch Erleichterung in den Arbeitsalltag. Digitale Brillen machen in Teilelagern das Benutzen von Handscannern überflüssig und das Suchen von Teilen deutlich einfacher. Texte und sogar ganze 3D-Projektionen der Produkte würden beim Gang durch die Hochregale direkt ins Sichtfeld projiziert.
Architekten können virtuelle Gebäude mit Ihren Kunden direkt vor Ort besichtigen und Designer im Raum um noch nicht konstruierte Objekte herumlaufen und diese in Lebensgröße beurteilen.

Schöne neue Welt? So ausgestattet bringt uns die Zukunft mehr denn je alle Möglichkeiten, möglichst lange komfortabel und gesund zu leben.

Und dennoch: Das Einzige, was am Ende trotz aller digitaler Unterstützung nicht smarter wird, ist letztlich der Benutzer. Dann nämlich, wenn er sich nicht mit der Materie beschäftigt und auch die Kehrseite der Digitalisierung in Betracht zieht. Ausgewertete Daten zu Gesundheit, Aufenthaltsort und Aktivität werden nicht nur dem Besitzer aussagekräftige Anhaltspunkte liefern. Auch Versicherungen, Krankenkassen oder zum Beispiel Banken wären theoretisch im Stande, anhand dieser Daten Bewertungen vorzunehmen. Ein starker Raucher, der am Tag maximal 500 Schritte läuft, zu wenig und unruhig schläft und einen risikolastigen Job ausübt wird bei Themen wie zum Beispiel Hauskredit und Lebensversicherung sicherlich ungünstiger bewertet als ein vitaler Mensch mit gesunder Lebensführung. Oder einfach einmal angenommen, das eigene Haus hat einen Stromausfall und man kommt weder hinein noch heraus, der Kühlschrank hört nicht auf, saure Gurken zu bestellen oder die Wäsche wäscht unaufhörlich?

Sicher ist dies ein übertriebenes Schreckgespenst, dennoch muss man sich bewusst sein, dass „smart“ eben auch „Datensammlung und -auswertung“ bedeutet. Somit stellt sich zum Beispiel die Frage, ob GoogleMaps wirklich zwingend wissen muss, wenn meine Smartwatch meinem Smartphone sagt, wo ich gejoggt bin oder ob nicht doch ein einfacher Pulsmesser reicht, um meine Trainingsergebnisse nachvollziehen zu können.

Das ist eine grundsätzliche Entscheidung, die nicht erst in Zukunft auf uns zukommt. Schon jetzt sollte jeder eine bewusste Entscheidung treffen, der ein Smartphone benutzt oder sich in einem Fahrzeug mit Navigationssystem bewegt. Was möchte ich von mir Preis geben und zu
welchem Zweck?

So wird letztlich wie immer das Wohlwollen der breiten Masse darüber entscheiden, welche Innovationen langfristig Einzug in das tägliche Leben halten und welche wieder aus dem Sichtfeld der Datenbrillen verschwinden werden. Eins ist zumindest auch in Zukunft sicher: Wie sich die Verbraucher entscheiden, kann trotz aller Datensammlungen nicht vorausgesehen werden.

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