Von Ideen und Dualitäten

Gestaltung vs. Ökonomie, Industrie vs. Handarbeit, Möbelfirma vs. Labor, Kunst vs. Industrie, Hand vs. Kopf

In einer Branche, die meist eine Entscheidung für die eine oder andere Seite verlangt, hat sich Alexander Esslinger, Mitbegründer und Geschäftsführer von dua, seiner ganz eigenen Interpretation von Gegensätzen und der Umsetzung außergewöhnlicher Produktideen verschrieben.

„Wenn Kreativität und Wirtschaftlichkeit aufeinander treffen, steht man immer wieder im Zwiespalt zwischen den Dualitäten der einzelnen Disziplinen. Meine Aufgabe ist es, gemeinsam mit dem dua Kollektiv, Produkte zu entwickeln, die den Spagat zwischen den Gegenpolen schaffen. Sicher – manchmal gewinnt eine der beiden Seiten und manchmal rufen unterschiedliche Produktionsprozesse auch neue Dualitäten hervor – doch oft entsteht im Dialog auch etwas Drittes. Eine Lösung, von der man vorher nichts weiß.“

Bevor ich mit Alexander Esslinger spreche, setze ich mich selbstverständlich mit der Möbelmanufaktur dua auseinander – und stoße auf verrückte Produktnamen, außergewöhnliche Formen und bestechend clevere Funktionen. Woran ich jedoch weitaus länger hängen bleibe, sind festgehaltene Geschichten und Handschriften – die, der Macher und Ideengeber, der kreativen Köpfe und Designer, die der Menschen, die hinter den Produkten stehen und in doppeldeutigem Sinn in jedem Gegenstand ihre Handschrift hinterlassen.

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”Manchmal hat der Kopf eine Idee, doch die Hände formen ein anderes Bild.“

„Für uns steht die kreative Entwurfsleistung im Vordergrund. Das heißt, dass alle Ideen aus dem persönlichen Freiraum eines Autorendesigners entstehen. Jedes Produkt ist eine neue Herausforderung und um Neues und Innovatives zu entwickeln, müssen wir oft lange Wege gehen. Diese fangen mit der Grundlagenforschung an.“

Wieso hat bei euch jeder Gegenstand eine eigene Geschichte? 

„Wenn man ein Produkt in den Händen hält, weiß man oft nicht, was es damit auf sich hat. Wir legen den Fokus deshalb nicht nur auf das äußere Produkt, sondern erzählen auch die Geschichte seines Entstehungsprozesses. Dieser ist für jeden Entwurf ein anderer – denn wir geben nichts in Auftrag, sondern wollen von ausgefallenen Ideen überzeugt werden. Letzten Endes löst sich der reine Gegenstand auf und man bekommt dann einen Bezug dazu.“

Und wenn eine Idee gut ist, beginnt die Grundlagenforschung?

„Richtig – der Designer hat natürlich eine Vorstellung davon, wie das Möbelstück, die Leuchte oder das Wohnaccessoire aussehen soll. Diese Idee und die wirtschaftliche Gestaltung können am Anfang aber weit auseinander klaffen. Wir widmen uns deshalb der Erforschung unterschiedlicher Konzepte, Produktarten und Produktionsverfahren, verändern Materialien und schauen, was damit möglich ist. Manches wird im Nachhinein manufakturell, also von Hand und traditionell gefertigt, für Manches macht eine industrielle und CNC-gesteuerte Herstellung mehr Sinn. Doch auch vermeintliche Gegensätze können sich ergänzen: Die seismographische Vase wird zum Beispiel in einer Porzellanmanufaktur in Bayern produziert, die Basis dafür stammt jedoch aus dem 3D-Drucker.“

Bislang klingt die Arbeit mit den Autorendesignern nach einem langwierigen Prozess, der viele Testläufe und Entscheidungen erfordert. Und dann ist da immer wieder die Hin- und Hergerissenheit zwischen den Dualitäten. Was ist der größte Reiz daran?

„Das Autorendesign ist die einzige Chance oder, anders gesagt, der schönste Ansatz, etwas aus der Leidenschaft von jemandem entstehen zu lassen. Und selbst wenn man mit einer bestimmten Vorstellung und Meinung in den Dialog geht, kann man in dieser noch korrigiert werden. Das ist eine Vielseitigkeit, die wir uns bewahren wollen.

Unser Team besteht aus unabhängigen Designern, die unter anderem freiberuflich tätig sind. Abgesehen davon haben wir ein partnerschaftliches Netzwerk von verschiedenen Produktionsunternehmen aufgebaut.
Auf diese Weise stehen einem zig Möglichkeiten offen und man wird durch die Zusammenarbeit trotzdem eng zusammengeschweißt“.

Und bei dieser gemeinsamen Arbeit kommen dann Produkte wie die Leuchte „like paper“ oder die „Seismographische Vase“ heraus. Was hat es damit eigentlich auf sich?

„Die Leuchte, die zwar anmutet, als bestünde sie aus Papier, wird in Wahrheit aus Beton und einem dafür einzigartigen Rotationsformverfahren gefertigt. Dem Material wurde von den Designern Miriam Aust und Sebastian Amelung also ein neues, unverwechselbares Gesicht gegeben.

Zur Seismographischen Vase wurde ihr Designer Jonathan Radetz – wie ihr Name schon verrät – von den Aufzeichnungen eines Seismographen inspiriert. Dieser notiert Erdbewegungen als zweidimensionale Kurven. Bei einem Aufenthalt in Neuseeland hat Jonathan selbst ein Erdbeben miterlebt und aus dieser zerstörerischen Naturgewalt ein Konzept für etwas so filigranes wie eine Vase geschaffen. Das ist das Besondere: Genau solche Ideen sind es, aus denen eine so ausgefallene Sammlung wie unsere Kollektion entstehen kann.“

www.dua-collection.com

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LIKE PAPER

Ausgezeichnet mit dem „German Design Award 2015, spezial mention“ und dem „Designpreis der Bundesrepublik Deutschland, gold 2013.“ Ein ultrahochfester Beton wird in eine Schalung aus Papier gegossen und durch eine Rotationsformmaschine geschwenkt. Durch die Bewegung verteilt sich die Masse gleichmäßig und es kommt zu einer absolut glatten Oberfläche, frei von Luftblasen, die sonst für Beton charakteristisch sind. Die Struktur des Papiers überträgt auf die Oberfläche der Betonform. Jede Leuchte ein Unikat.

 

Seismographische Vase

Form folgt Bewegung. Aus zweidimensionalen Kurven entstehen außergewöhnliche asymetrische Vasen mit lokalem Bezug. Die Innenseite der Vasen wird lasiert. Die Aussenseite der Vasen bleibt unlasiert – Sie erhält eine sogenannte „Biquit-Oberfläche“. Eine klassische Gipsform dient als Grundlage für die Reproduktion.

Alle Produkte sind erhältlich unter: www.dua-shop.de

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