Multi und sein grosser Bruder

E-Commerce in allen Kanälen

Mittlerweile kann man es nicht mehr hören: Digitalisierung! Das lässt niemanden mehr so richtig aufhorchen. Nach damaligem Aufregen über Digital Signage und wireless Alles hat man sich längst daran gewöhnt, transparent zu leben und berechenbar zu sein. On und off wird nicht mehr unterschieden, weil es kein off mehr gibt. Selbst kleine Reminissenzen wie der „Tante Emma“-Laden, der Spielzeugladen, die Buchhandlung oder Möbelläden sind Phänomene, deren Konzept einfach nur heißt: Multichannel-Marketing.

Online ist alltagsbestimmend: Siri, Apps, Streaming, Netzwerke. Ob Smartphone, Auto oder Haus – alles ist smarter als der Anwender. Das kennen wir schon. Nun könnte der Eindruck entstehen, dass es eine Gegenbewegung zum Mainstream gäbe. Eine Art „Digital Detoxication“ vielleicht? Das Rückbesinnen auf haptische und olfaktorische Wahrnehmung?

Back to local?

Ernstzunehmende Global Player eröffnen Shops und Stores in Großstädten. Amazon plant bis zu 400 Buchläden in Amerika und macht damit dem Marktführer Barnes & Nobles (640 Filialen) beachtliche Konkurrenz. Erst wurde das Leben der Buchläden durch die Niedrigpreise der Online-Anbieter erschwert, jetzt entern sie den Offline-Bereich. Der wichtige und existenzielle Unterschied wird darin bestehen, dass nur das in den Läden angeboten wird, was der Online-Kunde lesen möchte – respektable Learnings aus dem Customer-Experience-Management!

Es geht auch ein bisschen kleiner:
mymuesli wagte nach 2 Jahren Online-Existenz den ersten analogen mymuesli-Laden und betreibt mittlerweile fast 40 Stores in Deutschland, Schweiz und Österreich. Auch Supermarktregale von Edeka und Rewe konnten erobert werden. Die Präsenz vor Ort steigert den Bekanntheitsgrad der Marke. Es ergeben sich wiederum Synergien, die sich positiv auf das Online-Geschäft auswirken. Die Händler Fashion For Home oder Cyberport ergänzen das Bild in weiteren Branchen und auch Produkte, die online gelauncht wurden, bahnen sich den Weg in Fachhandel oder Supermarktketten.

Bitter für Emma

Eins ist sicher: Der Online-Handel boomt und wächst immer noch um ein Vielfaches stärker als der stationäre Handel. Es wird kein Revival der Boutiquen geben im Zeitalter digitalbetriebener Dienstleistung. Tante Emma bleibt also nur Mittel zum Zweck und muss erkennen, dass sie Teil der Multichannel-Verschwörung ist!

Die Präsenz vor Ort steigert den Bekanntheitsgrad der Marke!

Multi und Omni

Der Multichannel-Handel ist die Form des Vertriebs über mehrere Kanäle hinweg: Kunden haben die Möglichkeit im stationären Handel, per Katalogversand oder in einem Online-Shop einzukaufen. In seiner Vollendung, das heißt im synergetischen Zusammenspiel aus Kanal, Kunde und Marke, nennt man diese Strategie dann Omnichannel-Marketing. Dabei erfährt der Kunde im Idealfall ein nahtloses Kauferlebnis über alle Kanäle hinweg.

Während also Multichannel den Vertrieb über viele Kanäle in ihrer Unterschiedlichkeit beschreibt, so bedeutet der Omnichannel-Ansatz, dass durch die Verknüpfung von On- und Offline ein Mehrwert für den Kunden entsteht. Er bezeichnet das vernetzte Planen, Steuern und Kontrollieren der zahlreichen verfügbaren Vertriebskanäle und Customer-Touchpoint, um das Kundenerlebnis und den Unternehmenserfolg über die verschiedenen Vertriebskanäle und Prozessschritte hinweg zu optimieren. Kunden können zu jeder Zeit zwischen den verschiedenen Kanälen – stationär, online, mobile, Callcenter, Soziale Netzwerke, Printkataloge – wechseln.

Die Verknüpfung von On- und Offline als Mehrwert für den Kunden

Kunde in allen Kanälen

Der Kaufprozess ist also kanalübergreifend und findet online wie offline statt. Die Integration des klassisch anmutenden stationären Handels in die digitale Ökonomie bietet dem Händler große Chancen. So ist es nur konsequent, stationären Handel zu eröffnen und diesen wiederum mit dem E-Commerce zu verbinden.

Zum Beispiel durch das Prinzip Click & Collect, das die Abholung einer Online-Bestellung vor Ort ermöglicht oder durch Online-Gutscheine, die in der Filiale eingelöst werden können. Smartphones können als Navigationshilfe mit Store- oder Product-Finder den stationären Handel bzw. POS stärken. Auch soziale Netzwerke, Peers und lokale Gruppen wie Facebook Places oder Foursquare werden die Entscheidungen vor Ort im Laden beeinflussen, beispielsweise mit Videos, Kundenerfahrungsaustausch und Produkterläuterungen. Die Grenzen werden fließend mit Augmented-Reality-Produktpräsentationen, bei denen Produkte des Onlineshops virtuell in die reale Umgebung integriert werden oder anprobiert werden können.

Happy ever after

Kommunikation bleibt stetig im Wandel und Anbieter stehen immer wieder vor der Herausforderung, für Kunden attraktiv zu bleiben. Denn die Kunden hinterfragen immer häufiger: „Brauche ich das wirklich?“ Wer diese Frage in Zukunft am cleversten, schnellsten, umfassendsten und datengetriebendsten beantworten kann und die Replique nach einer ganz individuellen, empathischen, überzeugenden Erfahrung aussehen lässt, der hat gewonnen! Ron Jonson war Retail-Stratege des Apple-Konzerns und weiß, worum es im stationären Einzelhandel gehen muss: Nämlich, „die Beziehungen zwischen Menschen zu vertiefen“ (Aus: Andreas Haderlein, Die digitale Zukunft des stationären Handels – Auf allen Kanälen zum Kunden, S. 46).