The Strong Believe in the Individual

Heute so erfolgreich wie vor 60 Jahren

„Make money and have fun“ ist das wohl bekannteste Motto von Bill Gore, dem Gründer des Unternehmens mit der Marke GORE-TEX®. Die Botschaft klingt simpel – ist aber anspruchsvoll in ihrer Umsetzung, weil sie die richtige Haltung voraussetzt. Das Unternehmen verlässt sich seit fast 60 Jahren auf den „strong believe in the individual“ und macht damit Unternehmenskultur zum Stützpfeiler seiner Wettbewerbsfähigkeit.

Das Vertrauen in das Individuum
Bill Gore war von Anfang an der Überzeugung, dass man Menschen motiviert, das Richtige für das Unternehmen zu tun, wenn man ihnen vertraut und an sie glaubt. Diese Haltung führe zu einem deutlich höheren Grad an Engagement und Einsatz. Statt seinen Mitarbeitern – die er Associates (Partner/Teilhaber) nannte und auch wie solche behandelte – vorzuschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben, vereinbarte er mit ihnen Commitments (Verpflichtungen).

Die Stärke von kleinen Teams
Die gitterförmige Organisation von Gore fördert ausgewogene und langfristig wirkende Entscheidungen, unterschiedliche Sichtweisen und die effektive Zusammenarbeit kleiner Teams. Charakteristisch dafür sind eine direkte Mensch-zu-Mensch-Kommunikation (und Abläufe, die sich um die Stärken eines jeden einzelnen Associates organisieren). Dadurch, dass die Associates vielfach in kleinen Teams arbeiten, entwickeln sie einen starken Sinn für Eigenverantwortung und gewinnen an „Employee Empowerment“ – einer der wirkungsvollsten Voraussetzungen, um Geschäftserfolge zu erzielen.

Die Innovationskraft der langfristigen Sichtweise
Investitionsentscheidungen basieren bei Gore auf dem Konzept langfristiger Amortisation – und diese Grundüberzeugungen werden kurzfristigem Gewinndenken übergeordnet. Erfolg definiert sich in dieser Organisation daher nicht allein über eine finanzielle Sichtweise, sondern auch über die Reputation des Unternehmens, über seine Verpflichtung zur Innovation und seine kulturelle Basis.

„Leader“ streben dabei nach Investitionen, die die langfristige Gesundheit der Unternehmung sicherstellen und sie wägen eine Vielzahl von Faktoren ab, bevor sie eine Investitionsentscheidung treffen. Sie verstehen auch, dass Innovationspflege Geduld und Zeit beansprucht.

1. Freedom
Beim Prinzip Freedom geht es darum, dass die Associates in den Punkten Wissen, Fähigkeiten, Verantwortungsbereich und Tätigkeitsfeld wachsen sollen. Es basiert auf der Überzeugung, dass Menschen Erwartungen übertreffen, wenn sie die Freiheit haben, dies zu tun. So wird ein Arbeitsumfeld geschaffen, das Innovation und Kreativität fördert. Dabei ist klar, dass Innovation auch Risiko bedeutet.

2. Fairness
Das Fairnessprinzip besagt: „Jedermann wird alles tun, um fair zu sein. Jedermann wird sich aufrichtig anstrengen, fair mit allen anderen umzugehen – mit Lieferanten, Kunden und allen, mit denen Gore zu tun hat.“ Dabei werden natürlich unterschiedliche Personen in jeder Situation verschiedene Ideen davon haben, was fair ist, was wiederum zu Missverständnissen und Konflikten führen kann. Dann ist es am wichtigsten, dass ein ebenfalls fairer Dialog darüber stattfindet.

3. CommitmentDer Grundgedanke des Prinzips Commitment ist, dass – anders als Anweisungen und Vorschriften, die bestenfalls Gehorsam erzeugen – das verantwortliche Übernehmen von Aufgaben die ganze Energie und das Talent der betreffenden Person, die sie übernimmt, weckt bzw. freisetzt.Jedes Übernehmen von Aufgaben wird als Versprechen gesehen und Teammitglieder verlassen sich gegenseitig aufeinander, dass alle ihren Verpflichtungen nachkommen.

4. WaterlineDas Prinzip Waterline benutzt die Metapher des Schiffes für ein Unternehmen. Die Idee dabei ist, dass alle Associates über einen größtmöglichen Handlungsspielraum verfügen und sie die Freiheit haben, auch mal Löcher in die Bootswand zu bohren – so lange ihr Betätigungsfeld oberhalb der Wasserlinie des Schiffes liegt, ist das ja alles kein existentielles Problem. Stehen jedoch Arbeiten/Entscheidungen an, die einen ernsthaften Schaden hervorrufen könnten (gemäß der Metapher also ein Loch unterhalb der Wasserlinie), muss darüber vorab ein Austausch mit erfahrenen Associates stattfinden.

Der Vorteil der einfachen Leitlinien
Freedom – Fairness – Commitment – Waterline. So lauten die „Gore Guiding Principles“. Sie wurden entwickelt, um bei täglichen Entscheidungen eine Art Anleitung zu geben. Gore vertraut dem Beurteilungsvermögen der Associates – wenn sie diesen vier Leitlinien folgen.

Warum am Ende zählt, was Erfolg hat
Bill Gore war überzeugt, dass Menschen, denen man vertraut und die eine freiwillige Verpflichtung eingehen, sich mehr ins Unternehmen „einbringen“ als Befehlsempfänger. Dieser Grundgedanke ist bei W. L. Gore & Associates heute so lebendig wie bei der Gründung des Unternehmens vor 60 Jahren. Der Glaube an den Einzelnen zeugt von Vertrauen, Respekt und Zuversicht. Und der nachhaltige Erfolg von Bills Idee beweist, dass er ein ziemlich gutes unternehmerisches Gespür hatte.

 

Fakten:

Bill Gore gründete 1958 zusammen mit seiner Frau Genevieve das Unternehmen W. L. Gore & Associates in Newark, Delaware. Geschäftsidee war, das Potenzial des damals noch wenig erforschten Kunststoffs PTFE (Polytetrafluorethylen) zu entwickeln und auszuschöpfen.

Heute ist Gore ein weltweit tätiges Unternehmen mit ca. 9.500 Mitarbeitern und einem Umsatz von mehr als drei Milliarden Dollar.

Dipl.-Ing. Stefan Kerscher
Dipl.-Ing. Stefan Kerscher war 20 Jahre lang für W. L. Gore & Associates in Europa und USA tätig, unter anderem als Sales Engineer, im Marketing und New Business Development, als Business Leader und Internal Consultant. Er ist heute als freier Berater tätig.