Die Zukunft wird von uns gemacht!

Richard David Precht beim Zukunftsforum

Wir, die Agentur „Des Wahnsinns Fette Beute“, riefen zu unserem Zukunftsforum 2018 und 800 neugierige, kritische, „Veränderungen spürende und suchende“ Besucher kamen in die Stadthalle nach Attendorn. Das Thema des Abends: „New Work oder wie wir in Zukunft leben und arbeiten wollen“. Angefeuert vom Hauptredner des Abends: Richard David Precht.

Precht säte Wind und erntete Sturm. Frischen Wind säte er in den Köpfen der 800 gebannten Zuhörer, indem er ihnen ein neues Denken, eine neue Perspektive bezüglich der Veränderungen unserer Arbeitswelt bescherte. Dabei drehte sich alles um folgende zwei Kernthesen:

1. „Die Digitalisierung wird in den nächsten Jahrzehnten in der Breite der Gesellschaft für einen massiven Verlust von Arbeitsplätzen sorgen. Sie wird nicht wie bei den industriellen Revolutionen 1 bis 3 zur Entstehung neuer Arbeitsplätze und Absatzmärkte beitragen, da bestehende Prozesse lediglich effizienter gestaltet werden. Der Haken dabei: Auch die intelligenteste, leistungsstärkste Maschine zahlt keine Sozialabgaben und keine Steuern, und sie konsumiert nicht.“

2. „Das heute noch vorherrschende sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis nimmt in seiner Bedeutung ab. Es wird unumgänglich sein, über neue Verteilungsmechanismen wie das bedingungslose Grundeinkommen zu diskutieren, um diejenigen, die künftig nicht mehr am Erwerbsleben teilnehmen können, nicht aus der Gesellschaft auszuschließen und den sozialen Frieden zu wahren.“

Einen „Sturm der Zustimmung“ erntete er nicht zuletzt mit seinem Abschluss-Statement nach des einstündig „gestreckten Galopps“ durch die Geschichte der industriellen Revolutionen und die Zukunft der Berufswelt, das er so zusammenfasste:

„Ich glaube, dass sich die klassische Arbeits- und Leistungsgesellschaft wie sie bisher war, verflüchtigen wird (…). Wir müssen jetzt die Strukturen schaffen, damit wir durch die Digitalisierung nicht nur unbeschadet, sondern mit kollektivem Gewinn und zum Segen der meisten durchkommen.“

„Die gesellschaftliche Akzeptanz entscheidet über die digitale Durchdringung des Alltags.“

Die spinnen, die Philosophen!?

Mit der ihm eigenen Leichtigkeit, Schlüssigkeit und vor allem Anschaulichkeit spann Richard David Precht im Verlauf dieses Abends ein Bild der Gegenwart und der nahen „New-Work-Zukunft“. Basierend auf der Geschichte der industriellen Revolutionen seit Mitte des 18. Jahrhunderts leitete er die anzunehmenden Folgen ab und zeigte „obendrauf“ eine Lösung, mit der wir unseren Weg durch die fortschreitende Algorithmisierung unseres Arbeitsalltags finden – ohne dass der soziale Friede, der in Deutschland trotz aller vermeintlichen Verwerfungen stärker ist als in vielen anderen Ländern, zu Ende geht.

„An Bedeutung zunehmen werden das Handwerk, die IT (für Hochqualifizierte) und Empathieberufe.“

Parole: Bedingungsloses Grundeinkommen! Von vielen Seiten bejubelt, von vielen Seiten gefürchtet. Die Prechtsche Idee dahinter: „Jeder bekommt 1.500 Euro als Grundversorgung zur Steigerung seiner Kreativität und Arbeitsmotivation. Wenn jemand darauf etwas dazu verdient, dann darf er das behalten. Folge: die Arbeitsmotivation wird extrem gesteigert. Weil man es behalten kann – auch wenn natürlich jeder irgendwann Steuern bezahlen muss.“

Ein einfaches Beispiel: „Die SPD macht seit 30 Jahren Wahlkampf mit der alleinerziehenden Krankenschwester mit 2 Kindern, die ihre Miete nicht bezahlen kann. Wenn man wirklich was dafür tun wollte, würde man ihr ein Grundeinkommen zahlen. Sie würde nur noch halbtags als Krankenschwester arbeiten, verdient mit den – sagen wir – 1.000 Euro, die sie dann dazuverdient, plus den 1.500 Euro, die sie als Grundeinkommen hat, mehr als vorher und hat doppelt so viel Zeit für ihre Kinder. Das wäre eine langfristige Lösung.“

Auch auf die – wie Precht lächelnd unterstellte – für das Sauerland typische Frage: „Wer soll das bezahlen?“ hatte er eine Antwort: „Warum besteuern wir ausgerechnet Arbeit? Das habe ich noch nie verstanden und halte es auch nicht für ein gute Idee. Ich bin dafür, dort Steuern zu erheben, wo Geld sich ohne Arbeit vermehrt. Da gibt es ziemlich viel in diesem Land. Mal ganz praktisch: Die Summe des von deutschen Banken und Wertpapierhaltern an der Börse umgesetzten Geldes: 240 Billionen. Wenn ich nur eine Billion von den 240 hätte, wäre der Sozialstaat finanziert. Auch das Bedingungslose Grundeinkommen!“

Richard David Precht

DER REDNER
Richard David Precht

Richard David Precht, geboren 1964, ist Philosoph, Publizist, Autor und einer der profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum. Er ist Honorarprofessor für Philosophie an der Leuphana Universität Lüneburg sowie Honorarprofessor für Philosophie und Ästhetik an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin.

Seine Bücher wie „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“, „Liebe – ein unordentliches Gefühl“ und „Die Kunst, kein Egoist zu sein“ sind internationale Bestseller und wurden in insgesamt mehr als 40 Sprachen übersetzt. Zuletzt erschienen „Erkenne dich selbst“, „Erkenne die Welt“ und „Tiere denken“. In seinem aktuellen Buch „Jäger, Hirten, Kritiker. Eine Utopie für die digitale Gesellschaft“ (Goldmann Verlag) skizziert er das Bild einer wünschenswerten Zukunft im digitalen Zeitalter. Seit 2012 moderiert er die Philosophiesendung »Precht« im ZDF.

Der hat gut reden?!

Dass dieses nicht nur die leicht gesagten Worte eines Philosophen sind, der sie nicht ins „Tun“ überführen muss, sondern dass gerade sein Fazit sehr wohl auch die Haltung derer widerspiegelt, die mitten in der Revolution des sich durch die Digitalisierung extrem schnell verändernden Wirtschafts- und Arbeitslebens stehen, bewiesen die weiteren Teilnehmer der anschließenden Podiumsdiskussion: Melanie Vinci (persona service), Tijen Onaran (Startup Affairs), Rainer Bröcher (Schäfer Werke), Markus Feldmann (GFO) und nicht zuletzt Jörg Hesse (Des Wahnsinns Fette Beute).

Während Vinci als Vertreterin einer Vielzahl von Berufsgruppen und Feldmann als Vertreter der – vermeintlich zukunftssicheren – „Empathieberufe“ auftraten, Onaran als Repräsentantin der „Digital Natives“ und Bröcher als Erneuerer inmitten klassischer Unternehmenswerte („Mein Berufsleben begann noch in dem Arbeitsschema ‚Command and Controlʻ“) kam Hesse eine Doppelrolle zu: Einerseits ist er als Agenturinhaber und Geschäftsführer selbst Arbeitgeber, andererseits ist er Berater für Unternehmen in puncto Unternehmenskultur und Marke. Er kennt also beide Seiten des Telefons.

„Wir wissen um die Revolution – wir glauben es nur nicht!

Den Worten Taten folgen lassen

Auf die Frage, warum sich eine Agentur für Markenführung von Familienunternehmen mit New Work beschäftigt und einen Philosophen vom Schlage Prechts auf die Bühne bringt, antwortet Hesse: „Wir sehen einen unumstößlichen Zusammenhang zwischen Unternehmenskultur, Unternehmenssinn, Unternehmensmarke sowie der Veränderungswilligkeit beziehungsweise -fähigkeit einer Organisation. Dieser Zusammenhang wird durch die massive Einwirkung der Digitalisierung radikal verändert. Und damit ändern sich auch alle Beziehungen eines Unternehmens zu seinen Mitarbeitern und Kunden. Durch die entstehende Transparenz einerseits und den gewonnenen Freiraum andererseits werden Menschen – mehr denn je! – nur den Organisationen Vertrauen und langfristig Loyalität schenken, die an etwas glauben, an das auch sie glauben: gleiche Werte, persönlicher und gesellschaftlicher Nutzen, Gestaltungswille bzw. -möglichkeiten, Partizipationsgrad. Dafür müssen sich Unternehmen bekennen – zu ihrem Charakter und dem Beitrag, den sie leisten wollen. Mit Richard David Precht haben wir heute Abend einen ‚Aufrüttler und Reaktionsbeschleuniger‘ gefunden, der uns weit über den Tellerrand hat schauen lassen und die unendlich vielen Enden des Themas ‚New Work‘ äußerst anschaulich und nachvollziehbar zusammengeführt und verdichtet hat.“

 

Jäger, Hirten, Kritiker

Jäger, Hirten, Kritiker

Eine Utopie für die digitale Gesellschaft

Beschreibung:
„Die Zukunft kommt nicht – sie wird von uns gemacht!“, so Prechts Überzeugung, die als Appell verstanden werden sollte, aus der Gleichgültigkeit ʻrauszukommen, sich aktiv eine Meinung auf die Frage zu bilden, wie wir in Zukunft leben wollen und sich aus der technikfatalistischen „Duldungsstarre“ zu befreien. Precht beschreibt die rasant fortschreitende Digitalisierung unserer Arbeits- und Lebenswelten und den Untergang der Leistungsgesellschaft mit klassischem Lohnerwerb, der im Widerspruch zur freien Entfaltung steht. Für Precht ist das bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) ein mögliches politisches Instrument, damit umzugehen.

 

Bewertung:
Precht wettert nicht gegen die Digitalisierung, sondern möchte Menschliches in die Welt nach der vierten industriellen Revolution retten: Handwerk, Neugier, Körperlichkeit und vor allem empathische Fähigkeiten. Der Autor zeigt noch im letzten Teil des Buchs die drei großen Krisen der Menschheit am Horizont auf und schafft es trotzdem, eine wünschenswerte Zukunft zu malen und konstruktive Ansätze zu finden, zu einer freigewählten Gestaltung der Zukunft und damit zur Selbstverwirklichung zu gelangen, um damit „unsere Seelenheimaten vor dem Ausverkauf“ zu schützen. Precht vermag es, packend und nachdrücklich Zusammenhänge aufzuzeigen, die frappierend sind. Es entsteht kein Chaos, sondern eine stringent entwickel

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