Neuromarketing

Die Geheimnisse des Kundenhirns

Zwei ewige Konkurrenten, die auf dem Gebiet der braunen Brausen um die Vorherschaft buhlen. Dass die Marke Pepsi im Kampf um die Gunst der Konsumenten das Nachsehen hat, ist kein Geheimnis. Doch warum ist das so? Schmeckt das Erfrischungsgetränk der Marke Coca-Cola wirklich besser?

Der „Cola War“ Pepsi vs. Coke

Oder sind es bestimmte Produkteigenschaften, die die „Coke“ im wahrsten Sinne des Wortes schmackhafter machen? In der boomenden Disziplin des Neuromarketings versucht man derartigen Präferenzen auf den Grund zu gehen.

Wenn die Marke den Geschmackssinn trügt

Rund zehn Jahre ist es her, dass das Ergebnis des weltbekannten „Pepsi-Blindtests“ großes Aufsehen erregt hat. In der Studie des Baylor-Colleges in Houston setzte man Probanden beide Cola-Sorten zur Blindverkostung vor — und siehe da: Ohne Markendarbietung konnte sich die Pepsi-Cola gegen die Coca-Cola durchsetzen. 51% empfanden die Pepsi als leckerer.  44% entschieden sich trotzdem für die Coca-Cola und 5% blieben neutral. Somit scheinen sich die Getränke, zumindest laut der Studie, geschmacklich kaum zu unterscheiden. Nannte man den Testpersonen jedoch die Markennamen, favorisierten plötzlich 63% die Coca-Cola und nur noch 23% schmeckte die Variante aus dem Hause Pepsi besser. Welchen Einfluss das Aufdecken der Marken auf das Geschmacksempfinden nahm, zeigten parallel aufgenommene Bilder aus dem Kernspintomografen.

Während im ersten Testlauf der Genuss der Pepsi-Cola für eine stärkere Gehirnaktivität im „Belohnungszentrum“ sorgte, verzeichnete man im zweiten Versuch eine höhere Aktivität beim Trinken der Coca-Cola. Zudem aktivierte die beliebte Coke den Bereich des Gehirns, der für das „Selbstbild des Menschen“ steht. Demnach hängt das Image der Marke mit der Selbstwahrnehmung des Menschen zusammen. An dieser Stelle sei gesagt, dass in verschiedenen Ländern unterschiedliche Markenpräferenzen herrschen – in Deutschland ist die Coca-Cola der Marke Pepsi wirtschaftlich weiter voraus, als in Amerika. Dieser Umstand könnte auch der Grund dafür sein, dass das Ergebnis unseres nachgestellten Blindtests etwas anders ausfiel, als erwartet.

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Was starke Marken im Gehirn bewirken

Doch wie lassen sich die Bilder aus der „Röhre“ nun mit dem Kaufverhalten verbinden? Der „Pepsi-Test“ beweist es: Eine Vorliebe für ein Produkt scheint nicht auf rein rationaler Basis zu entstehen, sondern muss durch andere Faktoren beeinflusst werden. Wer zur Coke oder anderen Erfolgsmarken greift, wählt in der Regel nicht primär nach dem Geschmack oder der Wirkung des Produkts aus. Vielmehr wird er durch positive Assoziationen und Erinnerungen dazu verleitet. Häufig identifiziert man sich mit der Botschaft einer Marke, teilt den beworbenen Lifestyle oder verbindet schöne Erinnerungen mit einem Produkt.

Der Diplom-Psychologe Hans-Georg Häusel bezeichnet Marken in diesem Zusammenhang als „neuronale Netzwerke“ (= Verknüpfungen von verschiedenen Nervenzellen), in denen Produkteigenschaften und Emotionswelten miteinander verflochten sind. Vereinfacht ausgedrückt heißt das: Es reichen kleine Hinweisreize, um bestimmte Emotionen in diesem Netzwerk zu aktivieren. Alleine die knall-orange Farbe der Fanta oder die lila Verpackung der beliebten Milka-Schokolade können die Lust auf das jeweilige Produkt wecken und zum Spontankauf verleiten. Dieser Fakt unterstreicht die Bedeutsamkeit der markentypischen Eigenschaften, egal um welche Produktart es sich handelt.

Hinzu kommt die Erkenntnis, dass bis zu 70% aller Kaufentscheidungen unbewusst getroffen werden – gerade deswegen kann der Blick ins Gehirn im Marketing einen Vorsprung bringen.

Mittels Emotionen Produkte verkaufen

Im Neuromarketing versucht man auf die Resultate zahlreicher Untersuchungen zu reagieren, indem man das neurowissenschaftliche Wissen in Marketingprozesse einbindet. Die Intention ist es, auf diese Weise effizienter und zielgerichteter zu handeln, um Marken auf direktem Wege zum Erfolg zu führen. Ein großer Teil der Forschung wird dem individuellen Motiv- und Emotionssystem im Gehirn gewidmet, da dieser Bereich des limbischen Systems Einfluss darauf nimmt, welche Dinge wir als „Belohnung“ empfinden.

Das System lässt sich in drei Unterteile gliedern, die mit den Persönlichkeitsmerkmalen der Menschen zusammenhängen. Dazu zählen Balance (Sicherheit, Stabilität, Harmonie), Stimulanz (Individualität, Entdeckungen, Neugier) und Dominanz (Macht, Status, Durchsetzung). Selbstverständlich sind die Untersysteme von Mensch zu Mensch unterschiedlich stark ausgeprägt und führen so zu den verschiedensten Charaktereigenschaften. Jemand, dessen Stimulanzsystem besonders hervorsticht, zeichnet sich zum Beispiel durch starke Neugier und sein Interesse am Außergewöhnlichen aus. Balance-Dominanz-Menschen lassen sich hingegen eher von der Funktionalität eines Gegenstandes und einem attraktiven Preis überzeugen.

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Das System lässt sich in drei Unterteile gliedern, die mit den Persönlichkeitsmerkmalen der Menschen zusammenhängen. Dazu zählen Balance (Sicherheit, Stabilität, Harmonie), Stimulanz (Individualität, Entdeckungen, Neugier) und Dominanz (Macht, Status, Durchsetzung). Selbstverständlich sind die Untersysteme von Mensch zu Mensch unterschiedlich stark ausgeprägt und führen so zu den verschiedensten Charaktereigenschaften Jemand, dessen Stimulanzsystem besonders hervorsticht, zeichnet sich zum Beispiel durch starke Neugier und sein Interesse am Außergewöhnlichen aus. Balance-Dominanz-Menschen lassen sich hingegen eher von der Funktionalität eines Gegenstandes und einem attraktiven Preis überzeugen.

 

Demzufolge können Verkäufer ihre Zielgruppen in bestimmte Charaktertypen gliedern und ihre Maßnahmen auf entsprechende Motiv- und Emotionsfelder anpassen. Auch im B2B-Bereich lohnt sich die Unterteilung der Kunden in Persona, denn je nach Charaktermerkmal können Herangehensweisen optimiert werden. Dies umfasst verschiedenste Faktoren, wie das Formulieren von Nutzenargumenten, das Entwerfen eines individuellen Produktdesigns oder die passende Wahl der Sprache. Für jede Branche gilt: Wer mit seiner Marke am Ende des Tages die richtigen Kunden erreichen möchte, muss mit seiner Botschaft die erwünschten Emotionen auslösen und durch differenzierende Eigenschaften im Gedächtnis des Kunden bleiben.

Das i-Tüpfelchen sind die Details

Um genau dies zu erzielen, durchdenken immer mehr Unternehmen sogar winzigste Signale, die an unsere Gehirne gesendet werden. Jeder von uns verarbeitet subtile Botschaften, wie die Optik (Form und Farben), Haptik (Größe und Oberflächenstruktur), Akustik (z.B. den typischen Klang beim Griff in die Chipstüte) und den Geruch von Produkten, ohne es zu merken. Auch die Eigenschaften des Verkäufers, etwa sein Kleidungsstil, seine Gestik oder sein Parfum, können Einfluss darauf nehmen, ob wir etwas kaufen oder nicht. Es verwundert deshalb nicht, dass ein großer Aufwand betrieben wird, um die breite Palette dieser sogenannten „Cues“ auf Kunden abzustimmen und die Produkte dadurch begehrenswerter zu machen.

Weder der Sound beim Öffnen einer Dose, noch der Geruch eines neuen Kleidungsstücks werden heute dem Zufall überlassen. Neben der unterschwelligen Wahrnehmung von Produkteigenschaften, spielt auch der Point of Sale eine zentrale Rolle. Hier wirken Gerüche, die Lichtstimmung, Musik und die Art der Warenpräsentation auf das Verhalten des Konsumenten ein und können im schlimmsten Fall der Grund dafür sein, dass er das Weite sucht. Damit dies nicht passiert, werden Verkaufsräume heutzutage gründlich analysiert und die Ware in einer bestimmten Anordnung präsentiert. Denn je mehr man sieht, desto mehr kauft man auch.

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Der Unterschied – based on a true story

Die Thesen des Neuromarketings weckten auch die Neugier unserer Kollegen. Um die Resultatea des „Pepsi-Tests“ auf ihre Allgemeingültigkeit zu überprüfen, haben wir den Geschmackstest in unserem Z3 Versuchslabor nachgestellt. Elf Probanden, 22 Becher Koffeinbrause.
Zeit zur Blindverkostung… Das Ergebnis überraschte: Die bekennenden Coke-Liebhaber aus unseren Reihen ließen sich auch ohne Markendarbietung nichts vormachen – bei DWFB hatte die Pepsi keine Chance. Nur zwei von elf Versuchskaninchen bewerteten die Getränke gleich gut, der Rest entschied sich ganz klar für die Coca-Cola. Doch sind damit nun die Theorien des Neuromarketings widerlegt? Wie bereits eingangs erwähnt, ist die Marke Pepsi in Deutschland weitaus schlechter aufgestellt, als in Amerika. So sind zum Beispiel Coca-Cola-Kampagnen, wie zuletzt die Hashtag-Aktion #wirAlle zur Fußball-Weltmeisterschaft, hierzulande bekannter und beliebter als Pepsi-Werbespots. Es ist zu vermuten, dass diese starke Präferenz und das regelmäßige Trinken derselben Marke eine Unterscheidung zwischen den Geschmäckern eben doch möglich macht. Gleichzeitig spricht dies aber auch dafür, dass der Weltkonzern ein Händchen für das Erreichen von Menschen hat. Und die catcht man wiederum am leichtesten durch Emotionen.

Fasst man zusammen, werden zwei Dinge deutlich. Kenntnisse über das Emotionssystem und Denkprozesse lassen sich in den Bereichen des Marketings und der Werbung eindeutig zum Vorteil nutzen. Dennoch kann Konsumenten kein komplett irrationales Handeln unterstellt werden – wie auch der DWFB-Selbstversuch bewies. Das menschliche Hirn besteht schließlich aus weit mehr als dem Unterbewusstsein bzw. Emotionen. Gerade deshalb sollte Neuromarketing nicht als eigenständige Disziplin, sondern als hilfreiche Ergänzung des klassischen Marketings gesehen werden. Durch nutzbringende Ergebnisse aus der Gehirnforschung könnten zum Beispiel Unmengen an Geldern gespart werden, weil Erfolgsaspekte und Fehlschläge heute gezielter analysiert und die Entscheidungsprozesse der Menschen besser verstanden werden können.

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