Digitalisierung: Zwischen Megatrend und Buzzword

Wie profitiert der Mittelstand von digitaler Transformation

Dass man in keinem Unternehmen, in keiner Branche mehr an Digitalisierung vorbei kommt, dürfte jeder schon oft gehört haben. Betriebswirtschaftliche und innerbetriebliche Prozesse sind vernetzt, Produktionsabläufe werden von Software organisiert und die komplette Lieferketten-Logistik wird digital gesteuert.

Industrie 4.0 zeigt uns, wie der Mensch im Produktionsprozess zurücktritt, die Technik das Ruder übernimmt und sogar ganz individuelle und variationsreiche Produkte in kleinsten Losgrößen realisieren kann. Smart Factory als zukunftsfähiges Geschäftsmodell und Smart-Service-Welt als Zukunftsprojekt. Wir sind permanent online, zahlen digital, interagieren und kommunizieren virtuell.  Wir hinterlassen Big Data, anhand derer neue „Smart Services“ entstehen werden.

Die Entwicklung dieser Neuerungen ist rasant und wird noch weiter an Fahrt aufnehmen. Das bedeutet, dass sich Verhalten, Geschäftsmodelle, Kunden-Lieferanten-Beziehungen, Zielgruppenansprachen revolutionieren.

Deutschland behandelt dieses Thema aber stiefmütterlich: Man ist skeptisch und fragt sich, wie der Mittelstand davon profitieren kann. Obwohl Studien klar belegen, dass eine signifikante Wertschöpfung zu erreichen ist, verharrt besonders der Mittelstand in Wartestellung.

Sebastian Reucker ist Digital-Experte im Hause DWFB und stellt einige Gedanken zur Digitalisierung vor. Die Redaktion fragte:

Wie weit hat Digitalisierung bisher im Mittelstand Einzug halten können?

„Studien großer Beratungsgesellschaften belegen, dass dem deutschen Mittelstand die große Herausforderung bewusst ist. Nur ist sie leider noch nicht auf der strategischen Agenda gelandet und somit von einer tatsächlichen Implementierung noch weit entfernt. Das liegt meines Erachtens daran, dass vielen Unternehmen die Veränderung noch nicht greifbar ist. Viele Mittelständler stellen sich die Frage nach den Möglichkeiten, die mit der digitalen Transformation einhergehen.

Erstaunlich:

Nur 20 bis 25 % der kleinen mittelständischen Betriebe des Wirtschaftsgiganten China sind bisher online. Vorausgesetzt bis 2015 würde China stärker digitalisiert, könnte sein Wirtschaftswachstum um 22  % gesteigert werden.

Für Deutschland werden immense Gewinne prognostiziert, das Bruttosozialprodukt würde wachsen und es gäbe nennenswert mehr Arbeitsplätze. Digitalisierung steht in komplexer Kausalität mit Wachstum. Leider prägen zur Zeit eher die Begriffe „Technologiemitläufer“ oder gar „Nachzügler“ unser Verhalten.

„Der Mittelstand als Technologiemitläufer oder gar Nachzügler.“

Schaut man sich dann in den Medien nach Best Practices um, so bekommt man viele Beispiele der Global Player aus dem Konsumgüterbereich vorgeführt. Aber was heißt das konkret für den B2Bler im Mittelstand? Diese Antworten bleiben die meisten schuldig und so wird das Ganze schnell als Buzzword abgetan. Aber es gibt tatsächlich Beispiele wie den Landmaschinenhersteller Claas, der mittlerweile im Bereich der Hard- und Softwareherstellung etwa 25 % seiner Mitarbeiter beschäftigt. Aber auch Handwerksbetriebe, die ihren Mitarbeitern Baustellenhandys zur mobilen Zeiterfassung stellen, sind erste, kleine Belege für eine erfolgreiche Digitalisierung im Mittelstand.“

Wie funktioniert denn Digitalisierung im mittelständischen Betrieb?

„Es gibt kein einfaches digitales Starter-Paket. Digitalisierung ist absolut individuell an einzelne Bedürfnisse und Prozesse angepasst. Diese gilt es zunächst zu identifizieren, um daraufhin gezielte Lösungen zu entwickeln. Digitalisierung muss nicht heißen, sein Geschäftsmodell neu zu erfinden. Oft hilft es, gezielt nach Lösungen oder Prozessen aus der digitalen Welt zu suchen.

Der eben angesprochene Handwerksbetrieb zum Beispiel hat sich die Digitalisierung von Stammdaten nutzbar gemacht, um Prozesse wie Bestellungen effizienter abzubilden. Alle seine Mitarbeiter sind mit Mobilgeräten ausgestattet und können so Behinderungen, Zusatzleistungen und Verbesserungsvorschläge per Foto oder Sprachnotiz dokumentieren und direkt weitergeben. Vor allem die mobile Zeiterfassung trägt dazu bei, dass die Mitarbeiter schneller arbeiten können. Im Prinzip sind die technischen Voraussetzungen alle vorhanden, jetzt muss man sie nur noch einsetzen und bedienen. Digitale Transformation fängt eben im Kleinen an. “

Wie sollten die Betriebe also verfahren?

„Es gibt nicht den goldenen Weg zur digitalen Transformation. Man kann sicherlich immer Felder innerhalb der eigenen Geschäftsprozesse identifizieren, die prädestiniert für digitale Lösungen sind und somit einen Einstieg in die Thematik bieten. Wichtig ist es, Strategien und Ziele zu formulieren, um am Ende der Transformation auch Erfolge messen zu können. Zum Blick über den Tellerrand empfiehlt sich oft die Beobachtung des Wettbewerbs oder Best Practices aus anderen Branchen – oder auf externe Hilfe zurückzugreifen. Die unternehmensinterne IT wird aber zukünftig bei allen Fragen rund um die Transformation eine zentrale Rolle spielen.“

 

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Wie schwierig haben es kleinere Unternehmen, mit diesem Prozess Schritt zu halten?

„Für kleinere Unternehmen ist es nicht schwieriger als für große. Im Gegenteil: Sie können schneller reagieren, sind flexibler, weil die Geschäftsmodelle nicht so komplex sind. Es geht oft um Schnelligkeit und Wendigkeit. Außerdem spielt die Bereitschaft zur Veränderung – auch zum Risiko der Veränderung – eine große Rolle und das ist unabhängig von der Unternehmensgröße.“

Können Unternehmen ohne digitale Transformation überleben?

„Klares NEIN! Schon das Heute ist digital, das Morgen noch viel mehr. Die Frage ist dann nur noch, bis wann diese Unternehmen durchhalten können. Digitalisierung muss ganz dringend zur Chefsache erklärt werden und sollte in die Unternehmensstrategie mit einfließen.“

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